Liebe Mandanten,
im Moment scheint vieles nicht mehr so zu funktionieren, wie wir es seit Jahren und Jahrzehnten gewohnt sind. Für nahezu alle Unternehmen drohen erhebliche finanzielle Einbußen und wirtschaftliche Schäden. Sehr gerne möchte ich Ihnen hiermit schon einige Informationen zu möglichen Hilfsmaßnahmen und Ansprüchen zur Verfügung stellen. Die Kanzlei steht Ihnen gerne mit Rat und Tat bei Fragen zur Seite.
Ein Großteil der Regelungen wird bereits im April 2020 in Kraft treten, manche Regelungen sogar rückwirkend ab März 2020.
- Arbeitsrechtliche Folgen
Pflichten des Arbeitsnehmers zur Arbeit und Vergütungsansprüchen
Grundsätzlich können verschiedene Sachverhalte auftreten, bei denen fraglich ist, ob die Vergütungspflicht besteht und der Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet ist.
Soweit der Arbeitnehmer selbst an dem Corana-Virus erkrankt, ist dieser wie bei allen Erkrankungen nicht zur Arbeit verpflichtet. Abweichungen zu anderen Erkrankungen in Bezug auf die Entgeltfortzahlungspflicht bestehen nicht.
Sollte zusätzlich die Quarantäne des Arbeitnehmers angeordnet werden, ändert sich bei Erkrankung des Arbeitsnehmer selbst zunächst nichts. Wird die Quarantäne allerdings angeordnet, weil ein Familienmitglied oder ein Haushaltsmitglied erkrankt ist, ohne dass der Arbeitnehmer selbst erkrankte, kann diesem je nach Gestaltung des Arbeits-/Tarifvertrages aufgegeben werden, im Home-Office tätig zu bleiben.
Sollten die Kinder des Arbeitsnehmers erkranken, wird im Zweifel keine Arbeitspflicht bestehen. Es ist bis jetzt nicht sicher absehbar, für welchen Zeitraum dann gem. § 616 BGB eine Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung vorliegt. Vermutlich dürfte dies in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen der Fall sein.
Aufgrund der Schließung aller Betreuungsmöglichkeiten für Kinder (zumindest für in nicht systemrelevanten Berufen tätige Eltern) kann sich die Frage eines Leistungsverweigerungsrechts des Arbeitnehmers auch stellen, wenn dieser keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung hat. Auch hier dürfte im Zweifel ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB dem Arbeitnehmer zustehen. In aller Regel ist der Zeitraum, in dem das Leistungsverweigerungsrecht besteht, allerdings nicht vom Arbeitgeber zu vergüten.
Das Fernbleiben aufgrund der Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus rechtfertigt kein Leistungsverweigerungsrecht, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten. In diesem Falle dürfte neben dem Wegfall der Entgeltfortzahlungspflicht auch der übliche Katalog arbeitsrechtlicher Maßnahmen greifen. Sie können Mitarbeiter, die nicht zur Arbeit erscheinen, abmahnen und ggf. nach einer erfolgten Abmahnung ggf. auch kündigen. Hierfür ist aber im Einzelfall sicherlich eine individuelle Beratung erforderlich.
Für den Fall der Quarantäne gibt es im Infektionsschutzgesetz in § 56 umfangreiche Regelungen dazu, wer welche Entschädigungsleistungen erhalten kann. Grundsätzlich steht dabei dem Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch in Höhe des Verdienstausfalles zu. Wie dieser geltend zu machen ist, ist im Einzelfalle nach dem Arbeits-/Tarifvertrag zu prüfen und dabei insbesondere nach der Frage, ob § 616 BGB abbedungen wurde oder nicht. Meistens wird es so sein, dass der Arbeitgeber die Entgelte zahlen muss und dann eine Erstattung gemäß § 46 Abs. 5 Satz 2 Infektionsschutzgesetz von der zuständigen Behörde begehren kann. die Frist für den Antrag auf Erstattung ist kurz und beträgt lediglich drei Monate nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit. Sie müssen also dringend darauf achten, die Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.
- Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Arbeitgeber unterliegen grundsätzlich einer allgemeinen Fürsorgepflicht für Ihre Mitarbeiter. Es sind daher geeignete Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Infektionen zu vermeiden. Hierfür kommen Maßnahmen, wie z.B. die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, Hinweise auf regelmäßiges Händewaschen und ähnliches in Betracht. Bei Beschäftigung von Mitarbeitern mit Kundenkontakt dürfte nach momentaner Entwicklung wohl auch das Tragen von Hand- oder Mundschutz erlaubt werden müssen. Weitere Fragen ergeben sich dann aus den arbeitsvertraglichen Regelungen zu Dienstreisen, Zwangsurlaub, Arbeitsguthaben oder auch der Möglichkeit des Home-Office.
Bis jetzt ist in der Rechtsprechung streitig, ob ein Mitarbeiter ohne vertragliche Vereinbarung gezwungen werden kann, im Home-Office tätig zu werden. Darüber hinaus stellt sich dann auch die Frage, ob und inwieweit die technischen Voraussetzungen durch den Arbeitgeber gestellt werden müssen. In aller Regel dürften die betrieblich erforderlichen Mittel vom Arbeitgeber zu stellen sein. Meistens ist aber ohnehin eine Internetverbindung des Mitarbeiters vorhanden. Derzeit dürfte es sich anbieten, individuelle Vereinbarungen mit Mitarbeitern schriftlich festzuhalten, die unter diesen Bedingungen Home-Office betreiben. Anderenfalls stellen sich möglicherweise nach Abklingen der Krise Fragen auf Erstattung und ggf. Entschädigung.
Dienstreisen sollten im Moment im Wesentlichen vermieden werden, soweit dies möglich ist. Insbesondere Reisen in Risikogebiete dürften nicht mehr dem Arbeitgeberdirektionsrecht entsprechen, wenn es sich nicht um Mitarbeiter handelt, die gerade bei der Krisenbewältigung eingesetzt werden. Im Übrigen sind Dienstreisen im Zweifel vom Direktionsrecht gedeckt. Erforderlich ist insoweit ein billiges Ermessen des Arbeitgebers, ob die Dienstreise erforderlich und zumutbar ist.
Besonders problematisch ist Anordnung von Zwangsurlaub. Grundsätzlich ist es so, dass ein solcher Zwangsurlaub nicht ohne weiteres angeordnet werden kann. Die Wünsche des Arbeitnehmers sind nach dem Bundesurlaubsgesetz grundsätzlich zu berücksichtigen. Ob dies auch vor dem Hintergrund der aktuellen Krise noch Bestand hat, bleibt abzuwarten. Die Tendenzen gehen im Moment dahin anzunehmen, dass bereits gewährter Urlaub vor dem Hintergrund der aktuellen Krise gegebenenfalls vom Arbeitgeber zurückgenommen werden kann und die Anordnung des Zwangsurlaubes zumindest für einen Teil des Jahresurlaubes möglich ist. Auch hier wäre zu empfehlen, mit den Mitarbeitern im Sinne einer gemeinsamen Krisenbewältigung Vereinbarungen zu treffen. In welche Richtung letztlich die Arbeitsgerichtliche Rechtsprechung bei der Krisenbewältigung tendiert, ist nicht sicher prognostizierbar.
Der Abbau von Arbeitszeitguthaben dürfte etwas leichter möglich sein, da dies meist in den Arbeitsverträgen nicht anders geregelt ist. Auch hier würde sich sonst empfehlen, Absprachen mit den Mitarbeitern zum Abbau der Guthaben zu treffen.
- Unterstützung vom Finanzamt
Aktuell ist es so, dass durch die Finanzämter umfangreiche Möglichkeiten zur Stundung von Steuerpflichten eingeräumt werden. Die Finanzverwaltung bietet derzeit Unternehmen und Unternehmern bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus verschiedene steuerliche Hilfsangebote an. Es dürfte sich empfehlen, gemeinsam mit dem Steuerberater oder falls ein solcher fehlt, auch gerne mit meiner Unterstützung, Kontakt mit den Finanzämtern aufzunehmen und die Herabsetzung der laufenden Vorauszahlungen zur Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer oder Gewerbesteuer oder auch die Stundung fälliger Steuerzahlungen zu beantragen. Dies gilt im Zweifel auch für die laufenden Umsatzsteuervorauszahlungen.
- Kredite im Rahmen des „Milliardenschutzschild“
Die Bundesregierung hat schon mitgeteilt, ein „Milliardenschutzschild“ für Betriebe und Unternehmen aufzustellen. Die Regelung dürfte aber nicht ganz so unkompliziert werden, wie dies in der Presse dargestellt wurde. Grundsätzlich ist die Kreditgewährung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgelegt. Hierfür sind entsprechende Anträge notwendig. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Unternehmen, die in der Gründung sind (bis fünf Jahre Bestand) und solchen, die schon länger auf dem Markt sind. Eine Hürde dürfte sein, dass nach momentaner Regelung die Beantragung über den Finanzdienstleister (im Zweifel die Hausbank) erfolgen soll. Befindet diese das Unternehmen nicht für kreditwürdig und gewährt deshalb keinen Kredit (trotz der Zusagen über die KFW) dürfte es nicht möglich sein, die Darlehen zu erhalten. Die Entwicklung ist aber noch nicht endgültig absehbar. Bei Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
- Kurzarbeit
Grundsätzlich ist für die Bewältigung der Krise die Möglichkeit zur Kurzarbeit erleichtert worden. Allerdings ist die einseitige Anordnung der Kurzarbeit von den arbeitsvertraglichen Regelungen abhängig. Gibt es im Arbeitsvertrag keine Regelung dazu, muss mit den Arbeitnehmern eine individuelle Vereinbarung nachträglich getroffen werden. Da anderenfalls vermutlich Kündigungen drohen, dürfte dies hoffentlich im Einzelfall möglich sein. Bei der Ausgestaltung sollten rechtssichere Formulierungen gewählt werden. Es wäre daher sinnvoll, nicht nur schriftliche Vereinbarungen zu treffen, sondern diese möglichst auch präzise zu formulieren, um später Streit zu vermeiden.
Grundsätzlich muss dann für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ein Antrag an die Bundesagentur für Arbeit gestellt werden. Dieser muss auch der Arbeitsausfall angezeigt werden.
Beim Erstellen der entsprechenden Anträge ist größte Sorgfalt aufzuwenden, damit nicht schon aus formellen Gründen eine Ablehnung erfolgt oder erhebliche Verzögerungen bei den beantragten Leistungen eintreten.
Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes:
- erheblicher vorrübergehender Arbeitsausfall
- Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls (Abbau Arbeitszeitkonten, Gewährung von Urlaub)
- erheblicher Arbeitsausfall (aktuell ab 10 % der Mitarbeiter sind betroffen)
- Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Bundesagentur für Arbeit
- Leistungsantrag an die Bundesagentur für Arbeit
Das Kurzarbeitergeld wird dann in Höhe von 60 % des bisherigen Nettoentgeltes (bei Arbeitnehmer mit unterhaltspflichtigen Kindern 67 %) ausgezahlt. Meistens wird das Entgelt vom Arbeitgeber dann in der ein oder anderen aufgestockt. Die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sollten in Zukunft von der Bundesagentur vollständig erstattet werden. Die maximale Bezugszeit beträgt nach aktuellem Stand noch zwölf Monate. Ob und welche Änderungen in Zukunft eintreten, wird abzuwarten sein.
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an mich. Ich wünsche Ihnen und allen Mitarbeitern gute Gesundheit und viel Erfolg! Im Moment dürfte es bei gutem Willen der Beteiligten möglich sein, individuelle Vereinbarungen für die Dauer der Krise zu finden und damit die Krise wirtschaftlich auch zu überstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Buntenbroich
Rechtsanwalt